Stereo über 3 Kanäle-Trinaural
Fans von Mehrkanalanlagen werden sagen: Stereo ist eine Krücke.
Und sie haben Recht. Die 2-Kanaltechnik ist nicht in der Lage einen realen Höreindruck auch nur annäherungsweise wieder zu geben. Was wir bei Stereo hören ist eine Illusion, unser Gehirn „errechnet“ aus Erfahrungswerten mehr oder wenig sinnvoll eine virtuelle Bühne. Das kann man erlernen, manche weniger, manche erleben einen 3-dimensionalen Raum, auch wenn das mit 2 Lautsprechern eigentlich gar nicht möglich sein dürfte… Das ist also oft eine Sache des Trainings, der Erfahrung und Vorstellungskraft.
Richtiger für die Musikwiedergabe (es geht nicht um Filmeffekte) ist die Mehrkanalwiedergabe. Da klemmt es aber oft an vernünftigen Wiedergabeketten und vor allem fehlt das für Mehrkanal gemischte Musikmaterial.
Also bleibt nur das alte Stereo mit seinen Nachteilen und der anstrengenden Gehirnarbeit sich eine virtuelle Bühne im schmalen Sweetspot aufzubauen… Durch ungleiche (nicht ausgemessene Boxen, unterschiedliches Abstrahlverhalten und Raumreflexionen, zu große Hörabstände außerhalb des Hallradius usw.) wird diese virtuelle Bühnenillusion mehr schlecht als recht erfahren… Aber daran haben wir uns gewöhnt und damit arrangiert.
Neulich ist mir ein interessantes Thema über den Weg gelaufen:
Trinaural
Nein, das ist kein Voodoo, sondern technisch real nachvollziehbar. Ist auch nichts Neues, gibt es schon viele Jahrzehnte, ist nur immer in Vergessenheit geraten und hat sich nicht durchgesetzt.
Trinaural ist nicht wie der Name sagt, hören mit 3 Ohren, sondern eine 3-kanalige Wiedergabe. Auf dem Markt ist eine sogenannter Trinaural-Prozessor von Bongiorno erhältlich. Aber die Bezeichung ist irreführend, es ist ein reines Analoggerät. Es geht also nicht um irgendwelche Surround-Prozessoren, die ein mehrkanaliges Signal „aufhübschen“
Das Prinzip ist folgendes:
In der Theorie ist Trinaural nichts anderes als die virtuelle Bühne auf reale LSP aufzuteilen. Da die Aufteilung elektrisch erfolgt, ist diese natürlich viel genauer und fehlerfrei als bei der akustischen Aufteilung mit den Fehlern durch Raumeinflüsse… Deshalb wird die Stereoillusion deutlicher vermittelt. Der Centerkanal wird ganz einfach mathematisch ermittelt:
L -> L – R/2
R -> R – L/2
C -> (L+R)/2
Das kann man analog (wie ein teures Gerät von Bongiorno) wie digital umsetzen, ob der Einfachheit der Gleichungen beides kein Ding.
Bei 2-Kanal liegt der optimale Sweetspot im gleichseitigem Dreieck, die LSP sind also im 60° Winkel angeordnet. In der Praxis ist dieser Winkel sogar oftmals kleiner, da bei diesem Winkel die virtuelle Bühne zu zerreißen beginnt (natürlich abhängig vom Raum und Abstrahlverhalten). Bei Trinaural sollen die LSP auf -45°/0°/45° angeordnet sein. Da ist die Bühne wieder richtig „entzerrt“ und der 45° Winkel zwischen den LSP ermöglichen eine sehr stabile „linke und rechte Bühne“. Der wichtigste LSP ist der Center, da von dort die meisten Musikinformationen kommen, die seitlichen können sogar kleiner sein.
Die Meinungen zu Trinaural sind natürlich sehr unterschiedlich: Von zweifelnder Ablehnung bis zur totalen Begeisterung. Als Hauptvorteil wird ein viel größerer Sweetspot beschrieben. Die Illusion der virtuellen Bühne ist deutlich leichter erreichbar und gewinnt mehr an Tiefe und Räumlichkeit… Es soll ein viel größerer Schritt in Richtung reale Wiedergabe sein, als die Anschaffung von HighEnd Boxen oder gar Verstärkerkram usw.
Der Höreindruck ist einfach überwältigend:
Der normale vom Stereo gewohnte Klang ist erst mal da, also keine Klangverfärbung, keine Pseudo-AVR-Klangverschlimmbesserung. Selbst als ich es noch nicht perfekt eingerichtet hatte, es baut sich eine ganz tolle virtuelle Bühne auf, die nun nicht mehr so ganz virtuell ist. Die Bühne ist schärfer, transparenter, beindruckender, gewinnt an Dimensionen, es spannt sich ein größerer Raum auf.
Bei Stereo musste man sich erst konzentrieren, bei Tri hakt die Stereobühne sofort im Gehirn ein. Dabei ist man nicht am Sweetspot festgenagelt. Man hat mindestens einen Meter Bewegungsfreiheit, ohne dass die Bühne sich ändert, sie bleibt einfach stehen, wie in echt.
Aber zwei Dinge haben mich besonders beeindruckt:
Erstens kann man keine Boxen mehr heraus hören, der Klang löst sich wie selbstverständlich von den Boxen. Das erreicht man bei Stereo nur mit sehr guten paargleichen Boxen und aufwändiger Raumakustik.
Und zweitens: Die Mitte kommt so etwas von sauber und klar. Nun ja, steht ja auch ein Lautsprecher dort. Sicher, hat man auch bei perfektem Stereo, dass man denkt, ein Center steht dort. Aber dieser virtuelle Center ist nicht so sauber, nicht so direkt und klar. Kann man theoretisch auch einfach nachvollziehen. Die Mitte wird aus zwei identischen Signalen aus 2 Lautsprechern akustisch zusammengebastelt. Was passiert, wenn 2 gleiche Signale von 2 Quellen abgestrahlt werden? Es kommt zu ganz massiven Kammfiltereffekten (wir hören ja nicht nur mit einem festgenageltem Ohr). Das äußert sich in Klangverfälschungen im virtuellen Center. Gerade bei Gesang (Sprache) macht sich das bemerkbar. Bei Tri wird dieses Monosignal aus einem Lautsprecher mit der größten Intensität abgestrahlt.
Fazit:
Tri ist deutlich besser als Stereo, wenn man großen Wert auf eine virtuelle Bühne legt.
8 Kommentare.
Hallo Thias,
nach ausgiebigen Lesen deiner Webseite habe ich mit einigen erstaunen festgestellt, dass du sozusagen in die digitale Hörtechnik abgetaucht bist..
Du hast ja auch bestätigt, dass deine DIY Verstärker (ich denke, dass da auch die Phonovorstufe dazugehört) nur noch hübsch anzusehen sind.
Da wollte ich nun ein Röhrenfan werden, aber die Digitaltechnik reizt auch.
Dann ist wohl der „weiche Röhrensound“ doch nicht so gravierend wie es oft beschrieben wird, sonst hättest du den Wechsel ja nicht vollzogen.
Viele Grüße
Michael
Hallo Michael,
die Antwort ist ein eindeutiges jaein 😉
Eine gut aufgebaute Röhrenvorstufe (keine Endstufe) hat fast das gleiche Verhalten wie ein Transistorverstärker. Ein kleiner Unterschied kann in den nichtlinearen Kennlinien der Röhren liegen, aber das ist marginal. Es entstehen mehr harmonische Oberwellen, die eine gewisse Transparenz vorgaukeln. Eigentlich sind das Fehler, aber Fehler werden vom Ohr oft angenehm wahrgenommen. Beim Plattenspieler wird das sehr deutlich. Die eigentlich schlechte und frequenzabhängige Kanaltrennung wirkt einem Fehler beim Hören entgegen und ermöglicht so eine transparentere Bühne.
Diese Fehler lassen sich natürlich auch digital nachbilden und so wir auch ein „analoger Klang“ ermöglicht. Dazu verwende ich ein Programm von audiovero, AcourateFlow. Das ist eine frequenzabhängige Basisbreitenkorrektur, die die scheinbar bessere „analoge Wiedergabe“ bei der Schallplatte simuliert. Hörpsychologisch bedingt ist unsere Richtungswahrnehmung frequenzabhängig. Die schlechte Kanaltrennung der Schallplatte ist auch frequenzabhängig, aber genau anders herum als unser Ohr, was eine Kompensation bewirkt. Eine gute Schallplattenwiedergabe hat eine schärfere Bühnenabbildung, die einzelnen Instrumente sind räumlich nicht so verwaschen (Höhen und Tiefen auseinander gezerrt). Mit Flow kann man das wohl dosiert korrigieren.
Allerdings möchte ich an dieser Stelle noch erwähnen: Viele Klangunterschiede sind aber nur eingebildet.
Ich bin von meinem Background eher ein Vertreter der „Technikerfraktion“. Dem gegenüber gibt es die „Goldohren“, die unterschiedliche Netzkabel usw. meinen hören zu können. Da tut sich ein riesiger Markt mit Voodoo auf und vielen gutgläubigen Käufern, denen man einen besseren Klang einredet. Diese schwören darauf, dass irgend etwas besser klingt.. Wenn man allerdings mal einen Test macht und man nicht weiß, was gerade spielt, lösen sich die Unterschiede plötzlich in Wohlgefallen auf.
Bei einem Blindtest wird unser Wahrnehmungsapparat auf das Hören reduziert. Es ist erschreckend, dass dies ein miserabel schlechtes „Messinstrument“ ist, extremes Kurzzeitgedächtnis usw. Deshalb besteht da eine ganz große Placebo-Gefährdung, die man nicht so gern wahr haben möchte.
Ich falle da auch oft genug rein. Ein Beispiel: Beim Mastern einer Demo-Aufnahme schraube ich noch etwas am EQ, noch etwas …. ja, so ist es besser…. jetzt perfekt. Ein verstörter Blick auf einen Schalter… wie peinlich, der stand auf Bypass 😳 … und alle die zugehört haben, habens geglaubt 😆
Ein Blindtest ist auf jeden Fall empfehlenswert, bevor man einen Haufen Geld sinnlos versenkt. Ich finde es schon fast kriminell, wie den Leuten, die den besten Klang haben wollen oder auf Prestige setzen, oder technisch unbedarft sind… absoluter Unfug aufgeschwatzt wird.
Auch finde ich es peinlich, wie viele Kabelunterschiedshörer bei einem Blindtest völlig versagen und dann an dem Aufbau, Lang- oder Kurzzeitztest kritisieren.
Dabei ist es doch so einfach: Es gibt einen Unterschied zwischen den Kabeln, nur ist er nicht isoliert hörbar, aber mit allen Sinnen wahrnehmbar (Haptik, Optik, Qualität, Farbe, Preis…)
Von daher hat der Blindtest seine Grenzen und kann nicht allgemeingültig eingesetzt werden, sondern nur wenn es um einen hörtechnischen Vergleich geht, den man aber auch messen könnte.
Er geht am Empfinden des Menschen vorbei. Wir empfinden ganzheitlich, etwas auszugrenzen ist unnatürlich.
Auch wenn meine Röhrenvorstufe messtechnisch nicht relevante Unterschiede zur Transistorvorstufe hat und im BT vielleicht auch nicht unterscheidbar ist, so gefällt sie mir insgesamt doch besser und ich sage fälschlich sie klingt besser. Das letztere ist das Problem, da dieses Empfinden auf den Klang reduziert wird.
So lange es bei der Aussage bleibt, dass sie mir besser gefällt, ist es ok.
So etwas Schlechtes ist Placebo ja auch nicht, Menschen werden davon gesund, warum sollte dann nicht auch etwas besser klingen können? Wir sind nun mal ganz tief psychologisch geprägt und keine Maschinen.
Es ist richtig, ich höre nicht mehr über Röhren, das liegt aber an der besser geeigneten Studiotechnik für aktive Lautsprecher.. Die Röhren kann ich ja trotzdem noch anheizen, sieht schöner aus… 😉
Mit (audio)vielen Grüßen
Thias
hallo Thias,
vielen Dank für deine sehr ausführliche Antwort, ich hätte das ja auch aus deiner Seite interpretieren können.
Da ich deine Seiten ziemlich „verschlungen“ habe freut es mich umso mehr direkt mit dir Kontakt zu haben.
Ich hatte das Glück in den 70/80 Jahren Beziehungen zu den damals vorhandenen Schaltkreisen TDA2030 zu haben (Fernsehwerk Staßfurt)
und habe (ich bin also auch ein Neudeutscher- Ossi mag ich nicht als Bezeichnung9 mir eine Aktivbox mit Linkwitzfilter gebaut.. die standen bis zur Wende im Wohnzimmer.
danach kaufte man ja alles neu, ich hab mich damals für Denon entschieden und hab das eigentlich nie bereut.
Auf der Strecke ist eigentlich nur meine Amiga Plattensammlung geblieben. (und das mal bis 20 Anstehstunden vor dem Laden)
das versteht aber heute sowieso keiner.
Nun kam vor einigen Jahren dein Plattendreher in die Foren und ich war wieder hell wach.
Nur dieses Corean machte mir Probleme. Du hattest mir da wirklich einen „Floh ins Ohr gesetzt)
Danach hast du ja eine Pause eingelegt und ich hatte auch meine Probleme.
Aber nun im „Alter“, ich bin jetzt 64, und da möchte ich es auch noch einmal wissen, da steht an erster Stelle ein Nachbau deines Plattendrehers.
Eigentlich wollte ich einen Röhren-Preamp nehmen und ihn dann an meine DENON Anlage anschließen mit allen Zusatzteilen selbstgelötet
Nun bin ich mir aber nicht mehr sicher ob ich deine „Soundkarte“ von RME nehme. (die biologische Uhr tickt ja auch und ein bisschen möchte ich ja auch hören und nicht nur bauen) Ein bisschen Angst hab ich vor dem Programmieren wenn die Unterlagen fehlen. (Steuerst du eigentlich deine Monitorboxen direkt über das fireface Modul in den einzelnen Lautsprechern an oder nimmst du den Filtereingang der Aktivbox?
Na viele Fragen
Viele Grüße
Michael
Hallo Michael,
insgesamt habe ich 2 RöhrenPhonoPreamps gebaut. Würde ich nicht mehr unbedingt machen. Durch die notwendige hohe Verstärkung kommt ein deutlicher Nachteil der Röhren zu Tage… sie rauschen deutlich mehr als eine gute Transistorschaltung. Der Mikrofoneigang meiner Fireface ist z.B. absolut rauschfrei. Die Kennlinienentzerrung erfolgt digital mit acourate.
Ich gehe aus der fireface direkt symmetrisch in die Aktivboxen. Die aktiven Frequenzweichen in den Boxen bleiben natürlich in Aktion, denn die sind ja genau abgestimmt…
Grüße
Thias
Hallo Thias und Danke für die bisherigen Infos,
da der fireface insgesamt meinen finanziellen Rahmen entspricht und auch sehr vieles kann ist er nun auch mein Favorit geworden.
Da die Beschaffung einfach ist, meine Frage zum Signalfluss Plattendreherquelle.
Wenn ich es recht verstehe: -Abtastsystem auf Microvorverstärker- 60db Lineare Verstärung -(Ausgeng ?) und dann wieder Eingang
im Fireface mit „deine Worte: Entfaltung auf RIAA Kurve“ dann Ausgang auf internen Filter (im fireface) und umwandlung in Trinaural -Signal -dann auf deine Studio- Boxen.
Wenn ich nachbaue dann richtig- Lache jetzt bitte nicht, aber dein Wissen, dass du dir aus deinen Erfahrungen heraus angeeignet hast muss ich mir ja in kürzester Zeit einverleiben, zumindest die grundlegendsten Teile davon.
Gibt es irgend eine Literatur- die du empfehlen kannst- wo man sich diese zusammenhänge anlesen kann. In den Anleitungen des firfaces stehen ja nur Grundgedanken. und über die RIAA Kurve „entfalten“ bzw. Trinaural- Aufbereitung sicher nicht
Und Erfahrungen in der digitalen Musikverarbeitung habe ich nicht!!! Mir bleiben da nur deine Web Seite und wie man so schön sagt weiterführende Literatur.
noch eine andere Frage:
Hat sich der Luftspalt in deinem Plattenlager verringert? Irgendwo stand mal , ich denke so 2009, dass sich die Magnetstärke der Magnete ändert bzw. geringer und deshalb der tragende Luftspalt gegen null geht.
Mit vielen grüßen
Michael
Hallo Michael,
als Literatur empfehle ich dir wärmstens das Forum http://www.aktives-hoeren.de
Dort war ich recht aktiv und es gibt sehr viele fachlich gute Beiträge. Auch ist dort der „Erfinder“ von acourate anzutreffen. Wie in jedem Forum muss man aber die guten Beiträge erst finden…
Nach meinem Geschmack gab es dort dann aber auch zu viel PC-Bit-Tunerei., die technisch schwer haltbar ist…
Grüße
Thias
P.S. bei meinem Plattendreher ist immer noch genug Luftspalt vorhanden. Ich habe nicht festgestellt, dass er kleiner geworden ist, vielleicht minimal.
Hallo Thias,
ich melde mich mal wieder und will kurz über meinen jetzigen Audio stand berichten.
Ich habe deine Anregung über die Foren angenommen und habe fleißig gelesen und mich versucht weiterzubilden.
nun bin ich stolzer Besitzer eines RME´s und heute habe ich dann auch ein Software- Packet Acourate incl. Mikro bestellt.
Meine Bitte an Dich wäre, ob du mir Dein Aufbauschema mailen könntest.
DU hattest dieses mal im Forum JRiver gestellt (2012) das konnte ich nicht mehr aktivieren. bzw. darauf zugreifen. War weg
Du wirst ja sicher gemerkt haben, dass ich Deine Aufstellung kopieren möchte, leider auf etwas geringeren Niveau als deine Lautsprecher.
Die Studios hätte ich auch gerne, aber die sind halt der Porsche unter den Studios.
Ich wollte da immer mal hinfahren, da die Produktion ja bei mir fast um die Ecke ist.
Ich hoffe auf eine positive Antwort.
Viele Grüße
Michael
Hallo sehr gute Seite MIT Erklaerungen die ich Nachvollziehen kann.Baue Lautsprecher und Verstaerker seit 30 Jahren.Blos keine Foren,Da wird soviel Quatch erzaehlt.Weiter so.
Mfg Henning