die wilden Jahre:
Meine Leidenschaft waren Tramptouren in die damals für uns offene Welt. An der Straße stehen, den Daumen im Wind, das war der Inbegriff für unsere Freiheit. Rumänien, Bulgarien, viele Wochen nur mit Rucksack unterwegs, völlig ohne Kommunikation mit der Heimat. Heute kaum vorstellbar, aber es hat geklappt. So war ich auch mit einem 16 jährigen Freund 4 Wochen auf Tramptour. Welches Vertrauen mussten die Eltern zu uns gehabt haben. Die Abenteuer, die wir erlebt haben waren teilweise nicht ganz ohne…
Noch abenteuerlicher war allerdings die Auseinandersetzung mit der Ideologie der DDR. Ich fühlte mich nicht besonders politisch, aber eben auch nicht konform. Ich vertrat nur meine Überzeugungen als Christ.
Eine Doktrin der DDR war es den Sozialismus auch mit Waffengewalt zu verteidigen. Da war ich natürlich volle Opposition. In dem illegalen Arbeitskreis für Friedensfragen sammelten und erstellten wir Material zur Aufklärung von Jugendgruppen.
Eine kleine Story, von denen es eine ganze Menge gab…
Ich war gerade in Berlin unterwegs und rannte, weil ich spät dran war über den Alexanderplatz. Offensichtlich erschien ich sehr verdächtig und so nahm man mich ganz schnell in Gewahrsam. In der Polizeistation musste ich meinen Rucksack auspacken, die ISO-Matte wurde aufgerollt, die Wäsche durchwühlt, ja, man suchte etwas. Nach eine paar Stunden des Durchwühlens und Ausfragens und Telefonierens durfte ich dann wieder gehen, man hat nichts gefunden…. denn die Polizisten waren mit Blindheit geschlagen: In einer Umhängetasche hatte ich sehr brisantes Material zur Friedensarbeit und viele Adressen der Mitarbeiter dabei. Sie sollten es eben nicht finden.
Die Stasi war aber alles andere als dumm. Wir haben es erlebt, dass in Berlin in verschiedenen Briefkästen Briefe mit Einladungen eingesteckt wurden. Keiner der Briefe ist je angekommen. Ohne Datenverarbeitung war das ein Meisterwerk der Beschattung.
Dieses Katze- und Maus-Spiel führten wir lange Zeit. Ich hatte eine gewisse Narrenfreiheit, andere nicht. Für sie lag bereits ein genauer Plan zur Internierung vor und wie der Zugriff auf ihr Haus zu erfolgen hatte.
Als wir im Herbst 89 in Ilmenau mit Kerzen demonstrierten, war es uns schon sehr mulmig, als wir an den zugezogenen Fenstern der Stasi vorbei liefen… Wir konnten nicht wissen, wie es ausgeht und wer an der nächsten Ecke auf uns wartet.
Wie ich später erfuhr hatte ich auch einen persönlichen IM bei der Stasi mit dem Decknamen Pontius Pilatus. Leider habe ich nie herausgefunden wer es war, ich hätte mit ihm gern ein tieferes Gespräch geführt.
Als ich meine Stasi-Akten eingesehen habe, war ein großer Teil leider vernichtet worden. Die wenigen Berichte, die ich lesen konnte waren erstaunlich detailliert aufgeschrieben. Massenweise Briefe von mir und die ich erhalten hatte lagen in Kopie vor…